*for english see below*
Als queerfeministisches Künstler*innenkollektiv Staub zu Glitzer arbeiten wir seit September 2017 innerhalb unserer transmedialen Inszenierung „B6112“ in der und um die Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz. „B6112“ ist ein kollektives Kunstwerk, das die Radikaldemokratisierung und Öffnung des Theaters zum Ziel hat.
Nachdem die Verhandlungen über die Umsetzung unserer Forderungen mit der aktuellen Intendanz gescheitert waren, sahen wir uns im vergangenen Herbst gezwungen, eine erneute Besetzung der Volksbühne vorzubereiten.
Am 16. September 2022 wurden wir durch einen Zeitungsartikel darüber informiert, dass der aktuelle Intendant der Volksbühne, René Pollesch, „in einer hausinternen Mitteilung die Belegschaft vor einer neuerlichen Besetzung des Theaters gewarnt“ habe. Für diesen Fall kündigte er die „sofortige polizeiliche Räumung“ an. Er habe bereits „die Kulturverwaltung und die Polizei verständigt“ und bitte um erhöhte Aufmerksamkeit: „die Außentüren sollen geschlossen und Auffälligkeiten gemeldet werden.“
Pollesch hat sich also entschlossen, die Rolle des reaktionären Intendanten zu spielen – ein interessanter Twist. Macht korrumpiert offenbar, denn 2017 gehörte er noch selbst zu den Besetzer*innen.
Die Kooperation mit der Polizei ist für uns und viele andere nicht nur eine klare Grenzüberschreitung. Wir interpretieren die Ankündigung einer polizeilichen Räumung auch als Regieanweisung innerhalb unserer transmedialen Inszenierung.
Gute Kunst kostet Geld. Und eine polizeiliche Räumung ist zweifelsohne „state of the art“.
Um diesen radikalen aber grandiosen dramaturgischen Kniff des Kultregisseurs René Pollesch möglich zu machen, sind wir gezwungen, unser Produktionsbudget neu zu kalkulieren. Für die anfallenden Repressionskosten, die durch die veranlasste polizeiliche Räumung entstehen werden, sind wir auf Unterstützung angewiesen. Aufgrund der Vielzahl der künstlerisch Partizipierenden werden die Repressionen erfahrungsgemäß einen erheblichen Posten unserer Budgetierung darstellen.
Die vom Ex-Intendanten Chris Dercon erst nach 6 Tagen angewiesene polizeiliche Räumung der Volksbühne am 28.09.2017 hatte für Teilnehmer*innen, nach Ermittlungen der zuständigen Abteilung für „Gewalt- und Staatsschutz“, eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen à 15,- Euro zur Folge. Für Besserverdiener*innen werden, entsprechend ihres Einkommens, höhere Tagessätze* fällig.
In diesem Jahr gehen wir aufgrund der gesamtgesellschaftlichen politischen Entwicklung von einer deutlich größeren Teilnehmendenzahl und somit von höheren Repressionen aus.
Wir kalkulieren daher vorerst 611.200,- Euro und bitten um Spenden.
Mit der angekündigten polizeilichen Räumung entstehen selbstverständlich nicht nur finanzielle Belastungen. Auch die körperliche, psychische und soziale Unversehrtheit der Partizipierenden wird aufs Spiel gesetzt. Dieser Schaden wird sich jedoch nicht monetär beziffern lassen.
Mit eurer Spende richtet ihr euch gegen die Kriminalisierung von politischer Kunst und engagiert euch für die radikale Demokratisierung und Öffnung von Kulturinstitutionen allgemein und der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz im Besonderen.
Die Commonisierung dieses besonderen linken Theaters ist aufgrund der vielfältigen Krisen unserer Zeit, darunter auch die aktuelle Theaterkrise, eine unbedingte Notwendigkeit. Statt einer Intendanz fordern wir radikale Transformation: eine solidarische selbstorganisierte Gemeinschaft, transparente demokratische Aushandlungsprozesse, die Überwindung bürgerlicher Exklusivität. Antirassismus, Queerfeminismus und Antikapitalismus dürfen nicht länger als Tokens missbraucht, sondern müssen konsequent in Organisationsstrukturen übersetzt werden. Nur so können künstlerische Autonomie und neue Beziehungsweisen wachsen.
Disclaimer: Wir sind ein gewaltfreies Kollektiv, das mit friedlichen Mitteln politische Kunst macht. Seit vielen Jahren arbeiten wir grundsätzlich mit Awareness- und Sicherheitsstrukturen. Beim Aufbau einer Volksbühne der Commons lehnen wir Gewalt ab. Menschenfeindlichkeit jeglicher Art – Ableismen, Rassismen, Antisemitismen, Sexismen, Klassismen oder Altersdiskriminierung struktureller oder expliziter Art sowie Vandalismus lehnen wir ab. Sie werden in unseren Arbeitsstrukturen nicht geduldet und können zum Ausschluss führen.
Kosteninformationen für Besetzer*innen und Spender*innen nach §40 StGB:
* „Ein Tagessatz muss laut Strafrecht mindestens einen Euro betragen, darf jedoch einen Betrag von 30.000,- Euro nicht überschreiten“ — § 40 Absatz 2 Satz 3 StGB. 30 Tagessätze entsprechen einem Monatsgehalt. 1 Tagessatz entspricht demnach dem monatlichen Nettolohn geteilt durch dreißig.
Beispielrechnung: Sie erhalten 1400,- EUR Netto monatl. als vollzeitbeschäftigte* Reinigungskraft zB. bei Vivaclean. Ihr Tagessatz beträgt: 46,67 EUR. Es ist bei einer Teilnahme mit einer Strafe von rund 1867,- EUR zu rechnen. Wenn das Gericht nicht weiß, wie hoch der Nettolohn ist, wird eine Pauschale von 900,- EUR Monatsnettoeinkommen angesetzt. Vermutlich, weil aufgrund des vorherrschenden Klassismus davon ausgegangen wird, dass insbesondere Geringverdiener*innen straffällig werden.
ALGII Empfänger*innen haben durchschnittlich mit einem Tagesssatz von 10,- zu rechnen.
Lehrer*innen: durchschnittlicher Nettoverdienst liegt bei 3222,- EUR. Ein Tagessatz beträgt 107, 40 EUR. Die künstlerische Teilnahme könnte eine Strafzahlung von 4296,- EUR zur Folge haben.
Intendant*innen erhalten bis zu 31.700,- EUR netto monatlich. Ein Tagessatz beträgt 1057,- EUR. Bei 40 Tagessätzen wären das rund 42.270 EUR Strafe.
Ab welcher Grenze erscheinen Strafen im Führungszeugnis?
Nach dem Bundeszentralregistergesetz werden Geldstrafen ab 90 Tagessätzen oder Freiheitsstrafen in das Führungszeugnis aufgenommen. Kleinere Strafen kommen in das Bundeszentralregister.
We, Staub zu Glitzer, a queer-feminist artist collective, have been working since September 2017 within our transmedial production, “B6112” in and around Berlin’s Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz. “B6112” is a collective artwork that aims to radically democratize and open up the theater.
After the failed negotiations regarding the implementation of our demands with the current artistic director, we felt compelled to prepare a renewed occupation of the Volksbühne last fall.
On September 16, 2022, we were informed by a newspaper article that the current artistic director of the Volksbühne, René Pollesch, had “warned the staff with an internal communication against a renewed occupation of the theater.” In this case, he announced an “immediate eviction by the police”. He had already “notified the cultural administration and the police” and asked for increased attention: “the outer doors should be closed and conspicuous activities reported.”
In other words, Pollesch has decided to play the role of a reactionary artistic director – an interesting twist. Power corrupts, apparently, because in 2017 he was still one of the squatters himself. For us and many others, the cooperation with the police is a clear transgression of boundaries. We also interpret the announcement of a police eviction as a stage direction within our transmedial production.
Good art costs money. A police eviction is undoubtedly “state of the art”.
In order to make this radical but brilliant dramaturgical shift by cult director René Pollesch possible, we are forced to recalculate our production budget. Due to the repression costs that will arise because of the arranged police evacuation, we are dependent on support. As a result of the large number of artistic participants, experience shows that the repression and bailout fund will represent a significant item in our budgeting.
According to investigations of the responsible department for “Violence and State Protection”, the police eviction of the Volksbühne on 28.09.2017, ordered by the former artistic director Chris Dercon after only 6 days, resulted in a fine of 40 daily salaries of 15,- Euro per participant. A fine based on daily salary means, the larger the income, the higher the fine.*
This year, due to the political developments in our society as a whole, we expect a significantly larger number of participants and thus higher repressive measures.
Therefore we calculate 611, 200 Euro for the time being and ask for donations.
With the announced police evacuation, financial burdens are not the only cost to arise. The physical, psychological and social integrity of the participants is also put at risk. However, this damage cannot be quantified in monetary terms.
With your donation you oppose the criminalization of political art and commit yourself to the radical democratization and opening of cultural institutions, and the Volksbühne am Rosa Luxemburg-Platz in particular.
The Commonization of this particular left theater is an absolute necessity due to the multiple crises of our time, including the current theater crisis. Instead of an artistic directorship, we demand radical transformation: a solidary self-organized community, transparent democratic negotiation processes, and the overcoming of bourgeois exclusivity. Anti-racism, queer-feminism and anti capitalism must no longer be abused as tokens, but must be consistently translated into organizational structures. This is the only way, artistic autonomy and new modes of relations can grow.
Disclaimer: We are a non-violent collective that makes political art with peaceful means. For many years we have always worked with awareness and security structures. In building a Volksbühne of the Commons, we reject violence. We reject misanthropy of any kind – ableism, racism, anti semitism, sexism, classism or ageism, both structural and explicit, as well as vandalism. They are not tolerated in our work structures and can lead to exclusion.
Information about fines for squatters and donors according to §40 StGB:
* “According to criminal law, a daily salery must be at least one euro, but may not exceed an amount of 30, 000 euros“ – § 40 paragraph 2 sentence 3 StGB. 1 daily salary is therefore equal to the net monthly salary divided by thirty.
Example calculation: You receive 1, 400 EUR net monthly as a full time employed cleaner e.g. at Vivaclean. Your daily salary is: 46.67 EUR. If you participate, you can expect a fine of about 1, 867 EUR. If the court does not know what the net wage is, a lump sum of 900 EUR monthly net income is applied. Presumably, because of the prevailing classism, it is assumed that especially low-income earners are delinquent.
ALG II recipients have to reckon with an average daily rate of 10 EUR. Teachers: average net income is 3, 222 EUR. A daily salery is 107.40 EUR. Artistic participation could result in a penalty payment of 4, 296 EUR.
Artistic directors receive up to 31, 700 EUR net per month. A daily rate amounts to 1, 057 EUR. At 40 daily rates, that would be a fine of around 42, 270 EUR.
What is the threshold for penalties to appear on a criminal record? According to the Federal Central Register Act, fines of 90 daily salaries or imprisonment are included in the certificate of criminal conduct. Smaller punishments appear in the Federal Central Register.